Die Welt ähnelt einem Schlachtfeld. Zumindest, wenn es nach der Mode geht. Tarnmuster all over, Rüstungsähnliche Oberteile aus Step, wie wir sie just bei Dior sahen und sonst eigentlich eher vom Fechten kennen, die Rückkehr der Businessfrau mit überbreiten Schultern und ihre Absage an eine Weiblichkeit, die beschützt werden muss. Kurzum: Es geht drunter und drüber im Staate Dänemark… äh halt, das war ja Shakespeare. Aber auch Hamlet rüstete sich einst zum Kampf gegen die intriganten Machenschaften seines Onkels.
Zwar geht es an unserem gesellschaftlichen Hofe derzeit weniger darum, dass der eigene Onkel uns zugunsten des Throns aus dem Weg haben will, die komischen Verwandten, die wir lieber weiterhin verdrängt hätten, kommen aber durchaus mittlerweile aus allen Ecken und Winkeln gekrochen. Im Gepäck ein ziemlich lauter Herrschaftsanspruch. In den USA ist der Thron schon besetzt. In Frankreich und Deutschland machen sich die Schwippschwager nun daran, es gleich zu tun. Doch auch außerhalb des westlichen Kosmos, wo Geld noch immer die größte Sprengkraft zu haben scheint, geht es nicht weniger vernichtend. Da toben erbitterte Kriege um Territorien und religiöse Werte. Richtige, physische Auseinandersetzung, an deren Ende der menschlich wohl größte Bankrott steht, der Tod.
Ja es läuft wirklich einiges schief dieser Tage und ein Ende der Querelen scheint längst noch nicht in Sicht. Wie sollte da also ausgerechnet die Mode noch länger die Augen verschließen. Über den Punkt der Flucht in süße Träume scheinen viele mittlerweile längst hinaus. So auch in Berlin, wo die Designer in der vergangenen Woche beinahe ungewohnt politisch wurden. Zu Recht und zum Glück.
Bilder: Photo by Andreas Rentz/Getty Images for DER BERLINER MODE SALON // Vladimir Karaleev via PR
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- Vladimir Karaleev via PR
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Es regnete Karomuster und wir fühlten uns fast ein wenig an die Stammeskämpfe aus Braveheart erinnert. Vladimir Karaleev und Julia Seemann inszenierten es in klassischer Form und auffälligen Tönen wie Waldgrün und Blau. William Fan reduzierte den Kontrast optisch uns setzte auf den Mix aus hellem Grau und schmalen weißen Streifen.
Bilder: Photo by Andreas Rentz/Getty Images for DER BERLINER MODE SALON // Michael Sontag via PR
- William Fan Photo by: Rachel Israela
- Photo by Andreas Rentz/Getty Images for DER BERLINER MODE SALON
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- Philomena Zanetti via PR
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Weiterhin sahen wir Hosenanzüge und selbstbewusste Business-Frauen soweit das Auge reicht. Beinahe alle Designer inszenieren Frau im kommenden Herbst/Winter in weiten Hosen und breitschultrigen Blazer wie Mänteln. Ecken und Kanten zeigen, lautet die Devise. Wo Philomena Zanetti, Michael Sontag und Malaikaraiss noch durch Farbe auf das Weibliche verweisen oder etwa durch die Betonung der Taille der fraulichen Silhouette weiterhin Platz einräumen, ist es wieder Newcomer Julia Seemann, die die Schultern derart überzeichnet, dass aus den zarten Persönchen auf dem Laufsteg mit einem Mal richtige Schränke werden, oder anders gesprochen: Frauen, die sich selbst beschützen können. Das bezieht sich übrigens nicht nur auf Blazer und Mäntel, sondern mindestens auch auf die ausgefransten Jeansjacken, die in Kombination mit Leder und Biker-Elementen eine knallharte Rocker-Attitüde transportieren.
Kommen wir aber noch einmal zurück auf Vladimir Karaleev, jenen Designer, bei dem ich allein aus meiner persönlichen Leidenschaft heraus immer ganz genau hinschaue. Er formuliert das, was da so latent permanent auf dem Laufsteg mitschwebt schließlich am deutlichsten, wenn er ein glitzerndes Carmouflagemuster aus Fell raus auf den Runway und damit auf die modische Bühne schickt. Als Oberteil wirkt das beinahe wie eine Rüstung, die von Männern ebenso getragen wird wie von den Frauen. In Zeiten der Krise gibt es eben keine Geschlechtertrennung mehr. Da müssen alle anpacken, denn es geht um etwas viel grundlegenderes, um das persönliche Recht auf Freiheit.
Mode und Gesellschaft sind und waren eben schon immer miteinander verzahnt. Nur zeigt sich das in manchen Phasen eben deutlicher als in anderen. Natürlich gibt es auch versöhnlichere Perspektiven. Perret Schaad zum Beispiel bleiben ihrer verträumten Linie treu und verweisen mit ihrer Kollektion unter dem Claim „Europa“ auf die Idee einer starken Frau, die sich frei von jeglichen Grenzen über Orte, Kulturen und auch Geschlechterrollen hinwegbewegt. Dazu aber kommende Woche mehr. Und auch die Kollektion von Malaikaraiss bietet wie bereits gezeigt bei aller politischer Intention reichlich Potenzial zum Schwärmen.
Insgesamt lässt es sich aber nicht leugnen: Die Krise ist auch in der Mode angekommen. Wie wenig das alles noch ein schlechter Scherz ist, sehen wir spätestens daran, dass vermeintliche Witz nun die USA regiert. Vielleicht also höchste Zeit sich tatsächlich zu wappnen und eine Kampfansage zu machen. Mit realitätsfremden Träumereien kommen wir hier jedenfalls nicht weiter.